Freundschaft schließen mit dem Tod

14.06.2016

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Freundschaft schließen mit dem Tod – bedeutet Freundschaft schließen mit dem Leben

Mit dem Tod „dem größten Feind im Leben“ Freundschaft schließen? „Wie soll das denn gehen?!“ werden viele vielleicht fragen.
Dieses Thema beschäftigt mich nicht zufällig. Es hat mich von Kind auf begleitet. Schon früh hatte ich eigene Erfahrungen mit Sterben und Tod, nicht nur einmal stand ich an dieser Schwelle des Übergangs. Von liebsten Menschen, nahen Angehörigen musste ich seit meinem 14. Lebensjahr immer wieder Abschied nehmen. Und gerade von Menschen, die mir am nächsten standen. Das hat mein Leben so beeinflusst, dass der Tod zu einer Auseinandersetzung und Änderung meines Lebens führte.

Im Leben werden wir immer wieder mit dem Tod konfrontiert: Tod, Unfalltod, und insbes. tägliche Nachrichten berichten von Menschen, die den Tod vieler Unschuldiger verursachen. Wie gehen wir damit um? Verkraften wir überhaupt diese Botschaften? Oder flüchten wir hilflos, ohnmächtig wieder in den Alltag? Gibt es Menschen, die schon zu Lebzeiten tot sind? nach dem Motto „Funktionieren wir noch oder leben wir schon? Was bedeutet eigentlich „Tod“ und was „wirkliches Leben“?

Den Tod als Feind

deklarieren Menschen, die ihn aus Angst tabuisieren, aber auch Berufsgruppen, die sich lebensrettend und –begleitend einsetzen. Der bekannte Herzchirurg Prof. Bruns Reichart verkündete 2007 in einem Interview in der Münchner Uni: „ich hasse den Tod“.

Der Palliativ-Mediziner Prof. Borasio, führender Aufklärer über dieses Tabu-Thema „Tod“ in Europa, stellt sich gegen diese Feindeserklärung, die einerseits die Erfolge der operativen Medizin hervorhebt, andererseits aber auch Angst und Versagen bei tatsächlich eintretendem Tod auslöst. Das Streben der Mediziner in der 2. Hälfte des 20. Jh. habe zu einem zunehmenden Medikalisierungs-Prozess geführt und dadurch unnötiges Leid für Patienten und Familien, Frustration und Burn-out bei Ärzten und Pflegern gebracht. Brosario plädiert dafür, Geburt und Tod wieder als natürliche Prozesse zu sehen.

Palliativ-Medizin bedeutet der ganzheitliche Ansatz physischer, psychosozialer und spiritueller Betreuung für ein Leben in Würde bis zum Tod. Erst als Brosario im Parlament an die eigene Betroffenheit appellierte, wurde das Gesetz zur Palliativmedizin verabschiedet und auch, dass sie im Medizinstudium Pflichtteil wurde. Borasio hebt hervor, dass dieses „Lebensthema – Tod“ zu eigenem Schaden mit zahlreichen Tabus gelegt wird.

Tod – ein „Tabu-Thema“ – das zum Verdrängen einlädt?

Die Angst vor dem Tod steht dem Leben in Wege. „Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird zu leben.“ (Marc Aurel). Viele äußern, angeblich keine Angst vor dem Tod, aber vor dem Sterben zu haben. Freud und Leid gehören zum Leben; die 2. Seite wird meistens nicht akzeptiert, nach dafür Schuldigen gefragt oder verdrängt. Eine Todesangst kann sich in einer Lebensangst widerspiegeln.

Durch erfolgreiche Verdrängungsprozesse mit reichlicher Ablenkung im Außen (Internet, TV, Konsum, Arbeit etc.) wird vieles schöngeredet und lange Zeit gar nicht wahrgenommen, dass man eigentlich unglücklich ist. Sonst müsste man sich mit dem eigenen Leben auseinandersetzen und schlimmstenfalls etwas ändern. Das ist unbequem. Lieber das bekannte Unglück hinnehmen als das unbekannte Glück.

Viele Menschen verdrängen die Gefühle von Angst, insbesondere die mit der Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben und Tod verbunden sind. Die Verdrängung von Tod und Todesangst erzeugt ein Immer-mehr-Haben-Wollen und Aggressivität, weil ich mich dadurch als überlebend und durch Besitz mein Dasein beweise. Indem die Gesellschaft immer mehr den Tod verdrängt, steigt die Aggressivität oder auch Depression (Aggressivität nach innen); gleichzeitig werden Liebe und Mitgefühl verdrängt.

Der Tod ist eine im Menschen veranlagte Ur-Angst. Jaspers spricht von der „größten Angst hinter allen Ängsten“, Vogel vom „Kumulationsprozess aller Ängste“, Wurzel aller Ängste. Der Tod wird als fremd und bedrohlich wahrgenommen. Eine Angst, nicht genau zu wissen, wann und wie er kommt, hierüber keine Kontrolle zu haben.


Dabei sind Angst und Schmerz oft helfende Signale, den Weg wieder zu uns selbst zu finden.

Die Begegnung mit der Angst

ist nicht nur hilfreich, die Angst zu schmälern, sondern auch eine neue Lebensqualität zu erzielen. Der Weg zu uns führt mitten durch die Angst. Der Titel des Buches „Immer der Angst nach“ bezeichnet dies treffend. Dahinter liegt unser Schatz, unsere Seele, der göttliche Funke in uns, der sich dann ein Stück weit offenbart.

Ängste sind immer Hinweisschilder. Je mehr ich sie jedoch verdränge, desto heftiger zeigen sie sich im Leben. Dahlke spricht von „Schattenanteilen“, die oft aus schmerzhaften Erlebnissen verdrängt und meist im andern gesehen und verurteilt werden. Integration durch Wahrnehmen und Fühlen kann als heilsamer Lebensprozess dienen.

Ins Handeln kommen Menschen aber oft erst, wenn die Alarmstufe auf ROT steht. Schicksal als Chance: Erst dann ist eine Bereitschaft da, sich ggf. professionelle Hilfe zu suchen. Oft gibt auch ein von Ärzten vorausgesagt nahestehender Tod Anlass, das bisherige Leben erfolgreich zu ändern mit viel beschriebenen jahrelangen Lebens-Erlebnissen (Dahlke, authentische Filmberichte).

„Die meisten Menschen haben Angst vor dem Tod, weil sie nicht genug aus ihrem Leben gemacht haben.“ (Peter Ustinov)

Am Ende des Lebens bereuen viele nicht, was sie (auch falsch) gemacht haben, sondern das, was sie nicht gemacht haben. Mit dem Wissen nach Bronnie Ware: „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“, vor allem keinen Mut, sich selbst treu zu bleiben, nach den Erwartungen anderer zu leben, also fremdbestimmt, die eigenen Gefühlen nicht zum Ausdruck bringen, etc., sollte das eigene Leben einmal neu überdacht werden.

Freundschaft schließen mit dem Sterben, dem Tod und dem Leben

Wenn wir erkennen, dass der Tod integrierend zum Leben gehört – wir sterben im Leben viele kleine Tode (immer wieder Abschiede!) – wenden wir uns dem Teil zu, den wir am liebsten verdrängen möchten. Sobald etwas beim Namen genannt, erkannt wird, ist es nicht mehr im Dunkeln verbannt (Rumpelstilzchen) – Die Auseinandersetzung mit dem Tabut-Thema Tod nimmt den Schrecken und die Angst, die zuvor damit verbunden war (Tod – wo ist dein Stachel?)

„Wer im Leben nicht oft genug gestorben ist, hat nicht gelebt!“ (unbekannt)

Sich im Leben selbst zu begegnen, mit sich selbst in Frieden kommen, sollte nicht erst kurz vor dem Tod, oder verschoben auf das späte Alter, erfolgen. Das raubt Lebensqualität. Es gibt ein Mittel gegen die Angst: Liebe! Das bedeutet ein JA, die Akzeptanz des Lebens.

Zwar wird dieser Initiationsweg erst anstrengend, wenn alles Verdrängte, Nicht-gern-Gesehene an die Oberfläche kommt. Dafür wird das Leben sinnvoller, und damit fried- und freudvoller! Dazu gehören das Bewusstwerden der nicht gelebten Träume, Visionen (Verdrängung/Vermeidung), Versöhnung, Vergebung (Kübler-Ross), damit einhergehend das Loslassen alter Themen, Verletzungen und insbesondere das Wahrnehmen der verdrängten Gefühle. Es gilt der inneren Stimme, unserer Intuition, wieder Gehör zu verschaffen. Allein mit dem Verstand ist diese gewaltige Thematik nicht zu fassen.

„Intuition ist mehr wert als Wissen, Wissen ist begrenzt.“ (Albert Einstein)

Tepperwein beschreibt den Tod als „Krönung des Lebens“ als letzte Herausforderung, Prüfung als Wachstumschance. Sind wir auf diese letzte Prüfung – auf uns selbst -vorbereitet? Oder wird das unliebsame Thema mit Ablenkungen und Anreizen von außen beiseitegeschoben?

In meinem Vortrag „Freundschaft schließen mit dem Tod“ gehe ich auf dieses Thema tiefergehend und anhand von Beispielen ein.